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Der kleine Weihnachtsstern

Aktualisiert: 22. Okt. 2024

Eine Kindergeschichte zu Weihnachten


„Bin ich jetzt groß genug, Mama?“


„Ja, mein Kleiner. Jetzt bist du groß genug.“


„Seit ein paar Tagen stellen die da unten auf der Erde wieder die Bäume auf.“


„Hast du dir schon einen ausgesucht?“


„Ja, Mama, den kräftigen und hohen auf dem Marktplatz. Du kannst ihn gleich sehen. Die Erde muss sich nur noch ein klein wenig drehen.“


„Du weißt, was zu tun ist?“


„Ich werde den Baum fest im Blick haben und mich im richtigen Moment fallen lassen.“


„Pass gut auf dich auf, Caspar.“


„Das werde ich, Mama.“


Caspar wartete noch eine Weile, bis der ausgesuchte Baum genau unter ihm stand. Dann löste er sich und stürzte zur Erde. Er hatte gelernt, dass Sterne zwar fallen, aber nicht fliegen können. Eine Korrektur des Kurses war nicht möglich. Darum war es so wichtig, den richtigen Moment abzuwarten.


Er hatte schlimme Geschichten gehört. Sein Onkel war zu unkonzentriert und hatte den Baum verpasst. Er war in den kalten, nassen Schnee gefallen und dort erloschen. Das würde ihm nicht passieren.


Sein Fall wurde zunächst immer schneller. Erst als er in die obersten Luftschichten kam, wurde er langsamer. Sein Sturz bremste sich ab. Das war die hohe Kunst der fallenden Sterne. Man musste die verschiedenen Geschwindigkeiten und die Bewegung der Erde exakt berechnen.


Caspar hatte viele Jahre auf diesen Moment gewartet. Er würde nicht versagen.

Die Spitze des Baumes kam immer näher. Er merkte, dass er zu schnell war. Panik kam in ihm auf. Dann war es so weit. Er krachte in den Baum, aber durch den Schwung konnte er sich nicht festhalten. Er fiel durch die Äste hindurch und die spitzen Nadeln kitzelten ihn. Er sah den nassen Schnee näherkommen und machte sich für den Aufprall bereit.


Da wurde er plötzlich gepackt und sein Sturz endete abrupt. Benommen blickte er sich um und sah einen kleinen braunen Kopf mit langen Ohren. Der schaute ihn mit runden, schwarzen Augen an.


„Wer bist du? Was bist du?“, fragte Caspar erschrocken.


„Ich bin ein Eichhörnchen und mein Name ist Paula. Wie heißt du?“


„Ich bin ein Weihnachtsstern und ich heiße Caspar.“


„Was machst du denn hier unten? Solltest du nicht oben auf der Spitze sitzen?“


„Das war mein Plan, aber ich war zu schnell und bin abgestürzt.“


„Dann solltest du schnell wieder nach oben.“


„Tolle Idee, aber Sterne können weder fliegen noch klettern.“


„Ich kann klettern, sehr gut sogar. Soll ich dir helfen, nach oben zu kommen?“


„Das wäre sehr lieb von dir.“


„Dann halt dich gut fest.“


Caspar schlang seinen Körper um das kleine braune Wesen und gemeinsam begannen sie den Aufstieg.


„Oh nein“, rief Paula. „Da kommen Menschen mit einer großen Maschine.“


„Kannst du verstehen, was sie sagen?“


„Du nicht?“


„Nein, ich war noch nie unter Menschen.“


„Sie reden gerade über den fehlenden Stern auf der Spitze. Sie wollen mit diesem riesigen Kasten nach oben fahren.“


„Ja und?“


„Verstehst du denn nicht? Wenn sie feststellen, dass der Stern fehlt, setzen sie einen neuen dahin.“


„Und was wird dann aus mir?“


„Ich befürchte, du wirst dann nicht mehr gebraucht. Ich weiß nicht, was aus überflüssigen Weihnachtssternen wird.“


„Ich glaube, ich will es gar nicht wissen. Kannst du schneller klettern?“


Paula krallte ihre kräftigen Finger und Zehen in die Baumrinde. Sie sprang von Ast zu Ast. Die spitzen Tannennadeln piekten, aber Caspar hielt tapfer durch.


Die große Maschine stand mittlerweile neben dem Baum. Ein unangenehmes Geräusch schmerzte Paula in den Ohren und Caspar fühlte ein Kribbeln im Körper. Die beiden Menschen kletterten auf das große Ungetüm und drückten auf einen Knopf. Es gab ein Rucken und dann bewegte sich der obere Teil langsam nach oben.


„Schneller, Paula, bitte beeil dich.“


Das kleine Eichhörnchen straffte seinen Körper und flog regelrecht über die Äste. Die Menschen auf diesem unheimlichen Ding kamen immer näher. Plötzlich sprang Paula ins Leere. Sie hatte danebengegriffen und sie stürzten nach unten. Zum Glück war der Baum sehr dicht. Sie landete auf einem dicken Ast und rannte sofort weiter.


Der Stamm des Baumes wurde immer dünner. Bald würden sie ihr Ziel erreicht haben. Das Licht der Sterne über ihnen war schon zu erkennen. Ein einziger kräftiger Sprung noch – sie hatten es geschafft. Schnell löste sich Caspar von seiner Freundin und setzte sich auf die höchste Stelle. Es war das perfekte Timing. Die Männer hatten ebenfalls die Spitze des Baumes erreicht und schauten sich verdutzt an.


„Komisch, da ist doch ein Stern.“


„Ja, und was für ein schöner.“


Paula zwinkerte Caspar zu.


„Mach’s gut. Ich komme dich so oft wie möglich besuchen.“


Caspar strahlte so hell, wie es nur möglich war. Ganz weit oben im Himmel sah er, wie ein Stern ganz kurz, aber sehr hell aufblinkte.


„Gute Nacht, Mama.“

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Ritter Rüdiger

1 Comment

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Heather
vor 7 Tagen
Rated 5 out of 5 stars.

Ob Sterne in fernen Galaxien oder die geliebten auf der Baumspitze – Du schaffst für alle ein Geschichten-Zuhause!

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